Von dem Dracole Wayda ...
Vlad III. Drăculea (1431-1476), auch Ţepeş - 'der Pfähler' genannt, war bereits zu Lebzeiten weit über die Grenzen seines Fürstentums, der Walachei, bekannt und berüchtigt. Zur Steigerung seines Bekanntheitsgrades trug die Erfindung des Buchdruckes durch Johannes Gutenberg um 1440 n. Chr. wesentlich bei,
denn ab diesem Zeitpunkt konnten nicht nur komplette Schriften preiswert, schnell und in relativ hoher Auflage vervielfältigt, sondern auch allerlei sonstiges 'Wissenswertes' einem breiten Publikum präsentiert werden. Gedruckte Schriften und Bilder entwickelten sich zu einem Massenmedium, das auch für 'einfache' Leute zugänglich und erschwinglich wurde.
Schätzungen gehen davon aus, dass bis 1500 etwa 10 Millonen Buchexemplare mit 35.000 Titeln gedruckt wurden. Lose Flugblätter und Flugschriften sind dabei nicht berücksichtigt; ihre Zahl übertrifft bei Weitem die Anzahl der gedruckten Bücher.
Die Flugblätter der Zeit berichteten gerne von Kriegen, Greueltaten, Hinrichtungen, Katastrophen und anderen sensationellen Absonderlichkeiten und Neuerungen. Oft mit anschaulichen Holzschnitten verziert, befriedigten sie die Neugier der Menschen und brachten den Druckern Geld für größere
Projekte ein.
Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht verwunderlich, dass ab ca. 1460 eine Person besonders in den Blickpunkt der damaligen 'Medien' gerät, zumal sie das Spektrum an Publikumserwartungen vollständig abdeckte und augenscheinlich alles bis dato Bekannte an Grausamkeiten noch um einiges zu übersteigen vermochte.
Die folgende Flugschrift wurde um 1500 von Mattheus Franck in Augsburg gedruckt.
|
Titelblatt des Nachdrucks.
Bildquelle: © Christian Agnethler. |
Text:
Nach Christi vnsers Her=
ren geburt / M. CCCC. Lvi.
Jar/ hat der Dracole Wayda vil erschrö=
ckenlicher vnd wunderbarlicher
ding gethan / als her=
nach geschriben
steht.
Zum Ersten / hat der allt Gu=
bernator den allten Dracol lassen tödten.
Vnd der Dracol / sampt seinen Brüdern/
seind abgetretten von irem Glauben/ ha=
ben verheissen vnd verschworen den Chri=
stenlichen glauben zu beschirmen.
Diser Dracol Wayda ( als yerzt der el=
test vnter seinen Brüdern ) ist desselbigen
Jars gesetzt worden zu einem Herren inn
der Walachey : Zuhand hat er lassen töd=
ten / den Laßla Wayda / der daselbst ein
Herr gewesen ist. Bald hernach / hat er in
Sibenbürgen / auch in Würtzlandt / mit
nammen Beckendorff / lassen verbrennen /
sampt vil Mannen vnnd Frauwen / Jung
[2]
| |
vnnd Alle: Etliche hat er mit im heym ge[=]
fürt in die Walachey / an eysenen Ketten/
vnd allda gespisszt.
Item/ Alle junge Knaben / die in sein
Landt geschickt seind worden / von lehr=
nung wegen der spraach / die hat er in ein
Stuben lassen sperren / vnnd verbrennen/
Deren seind bey vierhundert gewesen.
Item/ Er hat einen friden gemacht/
In demselben aber / hat er vil Kaufleüt
vnd Fuhrleüt auß Würztlandt lassen spis=
sen. Er hat auch ein groß Geschlecht auß
reütten lassen / vnd die ließ er spissen / von
dem minsten biß zu dem maisten / Jung
vnd Allt.
Er hat seines Volcks etlichs nackend
lassen eingraben biß zu dem Nabel / vnnd
hat zu innen lassen schiessen: Hat auch et=
lich lassen bratten vnd schinden.
Item / Es seind Botten geschickt
worden von dem Königreich zu Vngern/
Sachssen vnd Sibenbürgen / in der zal 60
in die Walachey / die hat der Dracol fünf
wochen harren lassen / vnd inen vil Spissz
für die Herberg zustellen befolhen / das sie
[3]
|
also in grossen sorgen gewesen : Das hat
er darumb gethan / er forcht verrätherey.
In dem ist er gezogen in Würtzlandt / hat
zerstrewet das Getrayd / vnnd alle frücht
lassen verbrennen. Vnd das Volck ließ er
gefangen füren ausserhalb der Kronstatt
( also genandt ) alda hat der Dracol ge=
ruwet bey sanct Jacobs Cappellen / vnnd
hat die Vorstatt lassen verbrennen. Auch
als der tag des Morgens frü kam / ließ er
Mann vnd Frawen / Jung vnd Allt / bey
der Capellen vmb den Berg spissen / vnd
hat sich mitten vnter sie gesetzt / das Mor=
genmahl mit grossen frewden zuuor mit
inen zuessen.
Item / Er hat auch Sanct Bartholo=
mei Kirchen lassen verbrennen / unnd alle
Ornat vnd Kelich von dannen genomen.
Er hat auch seiner Hauptmann einen
in ein grosses Dorff geschickt / mit namen
Zeinding / zuuerbrennen. Aber derselb
Hauptmann der mocht das Dorff nit ver=
brennen / vor widerstandt der Dorffleüt :
Kam wider heym zu dem Dracol / vnnd
sprach zu im: Ich hab nit mögen verbrin=
[4]
| |
gen / das du mich geheyssen hast. Von
stunden hat er denselbigen Hauptmann
spissen lassen.
Item / Es seind komen Kaufleüt vnd
ander Volck / mit irer Kauffmanschafft /
von Würtzlandt gegen der Thonaw gehn
Pregel / in der zal bey sechßhundert / die
hat der Dracol all lassen spissen/ vnd inen
ir gut genommen.
Item / Dieser Dracol hat lassen machen
einen grossen Kessel / vnd darüber brätter
mit Löcher gemacht / hat die Leüt mit
den Häuptern dardurch lassen schieben /
vnnd also versperren : hat den Kessel mit
Wasser zufüllen / vnnd ein grosses Fewer
darundter zumachen / befolhen / das also
das Volck so jämmerlich geschreyen / biß
sie gleich gar versotten seind[.]
Item / Erschrockenliche / forchtsame /
vnaußsprechliche pein hat Er erdacht /
Nämlich / das er Mütter vnd Kind / an
Brüsten seügende / mit einander hat las=
sen spissen / das die Kind den Mütern an
den Brüsten gezabelt haben biß inn den
todt : Deßgleichen hat er den Mütern die
[5]
|
Brüst auffgeschnitten / vnd die Kind mit
den Häuptern dardurch gestossen / vnnd
beyde mit einander lassen spissen.
Item / Er hat allerley Volcks / Chri=
sten / Juden vnnd Hayden / seytlingen las=
sen spissen/darmit sie sich lang haben mö=
gen rühren vnnd zabeln / vnnd gewintzelt
durch einander als die Frösch. Darnach
hat er in händ und füß auch lassen anspis=
sen/vnnd zu inen in seiner spraach also ge=
redt : Ey wie grosse geradigkeit treyben
sie / Also hat er sein frewd gehabt.
Item / Er hat auff ein zeyt einen Zy=
geüner gefangen / der hett gestolen : da
kamen die andern Zygeüner / vnnd batten
den Dracol / er sollte ihn den ergeben. Da
sprach er : Er müsst hangen / vnnd ir müßt
ihn selber hengken. Sie sprachen: Es wer
nit ir gewonheit. Da ließ der Dracole den
Zygeüner in einem Kessel sieden / vnd mü=
sten in die andern Zygeüner essen mit flai=
sche vnd auch mit gebain.
Item / Es ward auff ein zeyt zu im ge=
schickt ein erwürdiger Mann / der kam zu
im bey den Leüten / die er hett also lassen
[6]
| |
spissen ( dann der Dracole vnter in vmb=
gieng / vnnd schawet sie / deren da waren
als ein grosser Wald ) vnd sprach zu dem
Dracole : Warumb geht ir also vnter dem
gestanck vmb : Der Dracole sagt : Ob es
ihn auch anstuncke : Er sprach : Ja. Da
ließ er ihn von stundan auch in die höch
spissen / auff das ihn die andern nicht an=
stuncken.
Item / Ein Pfaff hett gepredigt / wie
das die Sünd nit vergeben wurden / man
gebe dann das vnrecht gut wider. Da lud
der Dracol denselbigen Pfaffen zu Hauß/
vnd setzet in an seinen Tisch. Der Dracol
brocket weyß Brot ein / welches er selbert
essen wolt. Der Pfaff vnderstünd der bro=
cken einen / vn aß den. Der Dracol sprach :
Wie hast du heüt gepredigt / dz die Sünd
nicht vergeben wirt / man gebe dann das
vnrecht gut wider : Der Priester sprach /
Ja. Der Dracole saget : Warumb issest
du dann mein brot / das ich mir hab einge=
brocket : Vnnd von stundan spisset er den
Priester.
Item / Der Dracole kam in Sibenbür=
[7]
|
gen gehen Kalmotz / daselbst hat er die
Menschen lassen hangken als das Kraut /
die ubrigen hat er heym gefürt / vnnd ge=
spisszt.
Item / Er hat alle seine Landsherren
vnnd Edelleüt in seinem Land zu Tisch
geladen : vnnd da die mahlzeyt verbracht
was / da hub er an dem eltest an / vnnd
fraget : Wie vil er Wayda ( die in dem
Land Herren sein gewesen ) gedächt : Al=
so fraget er einen nach de andern. Vnd sie
sagten als vil ein yeder wußt / Einer sagt
fünfftzig / der ander dreyssig : Also wz kei=
ner vndter in / er sagt von siben : Da ließ er
sie all spissen / deren waren in der zal bey
fünffhundert.
Item / Er hat Leüt auff Schleyffstai=
nen zu todt lassen schleiffen / vnnd vil vn=
menschlicher ding gethan / die man von
im sagt.
Item / Er hett ein Schlaaffweyb / die
gab sich auß / sie wer schwanger von ihm
worden : Da ließ der Dracol die Frauwen
beschawen mit den Hebammen / die sag=
ten sie wer nicht schwanger. Da schneyd er
[8]
| |
dasselb Schlaaffweyb von vndten auff /
biß zu den Brüsten / vnd sprach / Er wollt
besehen/ wo sein frucht wer/ oder wo er ge=
wesen wer.
Item / Botten seind geschickt worden
auß der Hermanstat in die Walachey / die
haben gsagt daheymen solchen jamer / dz
sie Todter vnd gespisszter Leüt / als einen
grossen Wald gesehen haben.
Anno Domini M. CCCC. Lxii. Ist
der Dracole kommen in die grossen Schil=
thaw / da hat er lassen tödten mehr dann
fünffundzweintzig tausent Menschen / al=
lerley Volcks / Christen / Juden und Hey=
den : vnter denen seind die aller schönsten
Frawen unnd Jungkfrawen gewesen / die
durch sein Hofgesind behalten seind wor=
den / vnd hatten den Dracole / das ers inen
zu Ehelichen Weybern gebe. Da ließ der
Dracole die Mann mit sampt den Frau=
wen vnn Jungkfrawen zerhacken mit Sä=
beln vnnd Schwerdtern als das Kraut :
Das hat er darumb gethan / das Land
ist dem Türcken Zynßbar geweßt / vnd der
Türck hat den Zynß offt an ihn erfordert :
[9]
|
also sagt er gehn dem Botten / er wöllt ihn
selber raichen. Er zohe in das Landt / da
reytet man im entgegen des Zynß halben /
meinende dem Kayser allda zu bringen /
also kam ein Hauff nach dem andern. Do
der Dracole sahe / das sein zeyt was / da
schlug er die all zu todt / die ihm entgegen
waren geritten / wan sie sich des nicht ver=
sehen hetten. Vnd der Dracole verbrandt
die gantzen Wulgarey. Er ließ alle die
Menschen / die er gefahen mocht / spissen /
dero waren in der zal bey fünffundzwein=
tzig tausent / ohn die in dem Fewr verdur=
ben.
Item / Er sahe einen Mann arbeyten
in einem kurtzen Hembd / da fraget er den
Mann / ob er ein Weyb hett : Er sprach /
Ja. Der Dracole hieß sie für ihn bringen /
vnnd fraget sie / Was sie arbeytet : Sie
sprach : Ich wasch / bach vnnd spinn. Zu=
hand ließ er sie spiessen / darumb / das sie
ihrem Mann kein langes Hembd hett ge=
macht : vnd gab im ein ander Weyb / vnd
sprach : Sie sollt im lang Hembd ma=
chen / oder er wolt sie auch spissen.
[10]
| |
Item / Es kamen in sein Landt bey
dreyhundert Zygeüner / da nam er die be=
sten drey auß inen / vnd ließ sie braten / die
musten die andern essen : vnd sprach zu in :
Also mußt ir all einander fressen / oder zie=
het an die Türcken. Des ware die Zygeü=
ner fro / an die Turcken zustreyten. Also
ließ der Dracole Rossz und Mann in Kü=
heütten kleyden. Da nun die Zygeüner an
die Türcken kamen / da scheuchten sich der
Türcken Rossz vor dem rauschen der Kü=
heüt / vnd gaben die flucht an das wasser /
da ertruncken der Türcken gar vil / Also
sygten die Zygeüner ob.
Item / Dem Dracole ist ein Mönich /
Barfusser Ordens / auff einem Esel reyt=
tende / vndter wegengegegnet / denselben
Mönich hat er sampt dem Esel auff ein=
ander gespisset.
Item / Es wurden zu ihm geschickt et=
lich Wahlen : Als sie zu im kamen / nayg=
ten sie sich / vnd theten die Hut ab / und die
Pyrret darundter behielten sie auff. Da
fraget er / Warumb sie die Häublein auch
nicht abtheten : Sie sagten : Es wer ir ge[=]
[11]
|
wonheit / vnd theten sie gegen dem Key=
ser nicht ab. Der Dracole sprach : Ich wil
euch das bestetten. Zuhand ließ er ihnen
die Pyrret an die Häupter an nageln da=
mit das in die Häublein nicht abfielen / vn
ir gewonheit blib / Also bestätiget ers mit
dem.
Item / Es seind zwen Mönnich kom=
men in sein Land / die hat er geladen / sie
sollen zu ihm kommen / das geschach. Da
nam er den einen Mönnich / vnnd fraget
in / Was man gutes von ihm saget : Diser
Mönnich forcht sich sehr/ vnn sprach : Man
sagt alle s guts von euch / vnnd ir seyt gar
ein frommer Herr. Das sag ich auch von
euch. Er hieß disen Mönnich behalten.
Vnnd man bracht ihm den andern Mön=
nich / der ward von ihm gefragt / wie der
Erst: Da gedacht diser Mönnich / Ich
muß doch sterben / ich will im die warheit
sagen / vnd sprach : Ir seyt der gröst Wü=
terich den man finden mag in der Wellt:
vnnd keinen Menschen hab ich gesehen /
der euch ye guts nachsaget / vnd das habt
ihr wol bewysen. Da sprach der Dracole:
Du hast mir waar gesagt / darumb will
[12]
| |
ich dich leben lassen / vnd ließ in ledig. Er
schicket wider nach dem ersten Mönnich
vnd vermaint / er wurd im auch die war[=]
heit sagen. Da sagt er wie vor. Der Dra[=]
cole sprach : Nembt ihn hin / vnnd ließ ih[n]
spissen/ darumb das er gelogen hett.
Item / Er ließ Kinder braten / die mü[=]
sten ire Müter essen / hernach schneydet er
den Frawen ire Brüst ab / die musten ihre
Männer essen/Zuletst ließ er sie all spissen.
Item / Er ließ allen Betlern / die in sei[=]
nem Land waren / ein gute mahlzeyt / be[=]
reyten / nach dem mahl aber / ließ er sie in
dem Stadel ( darinn sie geessen hetten
versperren / vnd verbrändt sie all : Er ve[r=]
maint / sie essen den Leüten das ihr vn[=]
sonst ab / vnd kündten das nit verdienen.
Bald hernach da fieng ihn der Kön[ig]
von vngern / behielt in vil zeyt härtigkli[ch]
gefangen. Nach dem macht der K[ö=]
nig den Dracole Wayda wider zu eine[m]
Herren / als vor : Vnnd man sagt / er h[at]
hernach vil gutter sachen außgericht u[nd]
bewisen.
[13]
|
Quellen & Literatur
· Von dem Dracole Wayda, dem grossen Tyrannen. Gedruckt zu Augspurg, durch Mattheum
Francken, o.J. (Nachdruck).