Broos
Broos 1858. Lith. und Druck A. F. Walzel nach einer Zeichnung von J. Reumann (bearbeitet).
Die Kleinstadt Broos (rum.: Orãştie; ung.: Szásváros) liegt im südwestlichen Siebenbürgen, nördlich des Mühlbacher Gebirges und etwa 4 km südlich des Flusses Mieresch, im Gebiet des so genannten „Unterwaldes“.
Broos gehört zum Kreis Hunyad (rum.: Hunedoara) und zählte Anfang 2009 eine Bevölkerung von ca. 21.000 - davon nur noch etwa 100 deutschstämmige Einwohner.
Durch die Stadt fließt in Richtung Norden der Brooser Bach, ein linker Nebenfluss des Mieresch. Die Europastraße 68 führt durch die Ortschaft und verbindet von Westen nach Osten die beiden Städte Diemrich (rum.: Deva) und Mühlbach (rum.: Sebeş) .
Im Goldenen Freibrief König Andreas II. von 1224 wird Broos unter dem lateinischen Namen „Waras“ als westlichster Ort des „Königsbodens“ genannt. Dies ist die erste urkundliche Erwähnung des Ortes.
Archäologische Ausgrabungen 1991-95 in der Brooser Kirchenburg haben Besiedlungsspuren aus dem 8.-9. Jahrhundert festgestellt, über die im 10.-11. Jahrhundert eine Burg mit Erdwall und Palisaden errichtet wurde. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts wurde ein rechteckiger Steinturm (Bergfried)
errichtet und auf dem Erdwall eine Rundkapelle aus Stein gebaut. Diese Kapelle war mit einer kreisförmigen Krypta ausgestattet, deren Gewölbe sich auf eine Säule in der Mitte stützte. Über der Krypta erhob sich die runde Kapelle mit einer Halbkreisapsis an der Ostseite.
Die Steinmauer der Burg mit vier Ecktürmen wurde im 13. Jahrhundert errichtet und später mit weiteren Wehranlagen verstärkt. In der Mitte jeder Seite stand ein Turm mit rundem oder quadratischem Grundriss; durch den nördlichen Mittelturm konnte man die Anlage betreten oder verlassen.
An diesem Turm existierte auch eine Zugbrücke, die über den Wassergraben hinuntergelassen werden konnte.
Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Burggraben zu Hofstellen umgewandelt und aufgeteilt; das alte baufällige Rathaus, rechts neben dem Eingang zum Kastell, wurde abgetragen und das links neben dem Eingang gesondert erbaute Gefängnis noch bis 1827 betrieben.
Die doppelte Ringmauer der Kirchenburg wurde im 19. Jahrhundert abgetragen. Eine Ringmauer um die ganze Stadt gab es wohl nie; Wolfgang Bethlen nennt Broos im 5. Band seines Werkes „Historia de rebus Transsylvanicis“ von 1789 „oppidum immunitum“ zu Beginn des 17. Jahrhunderts (S. 217).
Obwohl nach den Tatareneinfällen 1241/42 zwei Jahrhunderte verschont, war Broos später ohne den Schutz einer Stadtmauer über Jahrhunderte hinweg zahlreichen Plünderungen und Zerstörungen ausgesetzt und wurde in seiner Entwicklung immer wieder zurückgeworfen.
Allein schon durch vier Türkeneinfälle im 15. Jahrhundert hatten die Einwohner von Broos schwer zu leiden.
1438 drang ein türkisches Heer unter der Führung des Murad Beg und mit Unterstützung von Heerscharen Vlad Draculs bei Broos nach Siebenbürgen ein und zerstörte die Ortschaft (u.a. wurde das Franziskanerkloster niedergebrannt). Das benachbarte Mühlbach wurde belagert und erobert.
Der so genannte „Rumeser Student“ war Augenzeuge der Ereignisse in Mühlbach. Er wurde gefangen genommen und nach Adrianopolis verschleppt, wo er bis 1458 blieb. Später beschrieb er als einer der Ersten die Sprache und Bräuche der Türken aus eigener Erfahrung.
1442 wurde Broos schlimm heimgesucht und 1479 wieder, als auf dem „Brodfeld“ eine bedeutende Schlacht geschlagen wurde.
Im Oktober 1479 drangen die Begen Ali und Skender mit einem Aufgebot von 65.000 Türken und angeführt von einer walachischen Heereseinheit nach Siebenbürgen ein und wurden am 13. Oktober von einem siebenbürgischen Aufgebot unter der Führung des Woiwoden Stephan Bathory, mit Hilfe des Grafen von Temeschburg,
Paul Kinisi, in einer verlustreichen Schlacht besiegt und in die Flucht geschlagen.
1491 wurde zwischen Ungarn und Sachsen die Vereinbarung getroffen, dass künftig das Amt des Königsrichters abwechselnd zwischen den beiden Nationalitäten besetzt werden sollte.
Weitere Verwüstungen der Stadt geschahen 1520 durch Soliman II., 1603 durch die Truppen General Bastas, ferner bei den Einfällen der Türken und Tataren 1663 und während der Rakotzi’schen Unruhen von 1703 bis 1711. Große Steuerlasten bis hin zur Verpfändung von Stadt und Stuhlsdörfern, sowie eine Pestepidemie 1738,
taten ihr Übriges dazu. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde Broos dann bedeutend vergrößert. Die rumänischen Vorstädte mit zwei Kirchen kamen hinzu; 1775 wurden deutsche Einwanderer aus Kärnten und Oberösterreich (ca. 40 Familie) in Broos aufgenommen (300 weitere Einwanderer wurden
in Rumes, Alvintz und Großpold angesiedelt).
Das zum großen Teil entvölkerte Broos bekam 1509 aus dem Temeschburger Banat eine größere Anzahl ungarischer Einwanderer. 1655 gründeten die Ungarn auf Veranlassung des Fürsten Georg II. Rákóczi in Broos ein reformiertes Gymnasium. ; 1663 verfügte der Fürst Michael Apafi, dass die Zehntabgaben
der Gemeinde Sebeşel der Schule zugute kommen sollen.
Der deutsche Name „Broos“ geht Vermutungen zufolge auf erste wallonische Einwanderer „de Braz“ oder aber auf den Namen des (erst im 14. Jahrhundert) erwählten Schutzpatrons „Ambrosius“ zurück. Die Ungarn nannten den Ort anfangs „Város“, später zum Unterschiede zu anderen ähnlich benannten Orten „Szászváros“.
Die Rumänen nannten den Ort „Orastiia“, wie aus einer Urkunde aus Rom vom 13. Juli 1433 hervorgeht (vgl. Dörner, Urkunden, Nr. 79). Lateinische Benennungen in verschiedenen Urkunden sind: „Waras“, „Villa St. Ambrosii“, später „Saxobánya“ und „Saxopolis“.
1302 werden eine Minoritenniederlassung, 1316 ein Franziskanerkonvent und 1334 ein Frauenkloster (4 Nonnen), ein Bad und 344 Haushalte im Ort erwähnt. Bereits 1324 wird Broos von König Karl I. „civitas“ betitelt.
Im 14. Jahrhundert wurde anstelle einer älteren romanischen Basilika eine gotische Kirche gebaut. Schutzpatron der Kirche war der Heilige Nikolaus.
In der Zeit der Reformation wird die gotische Kirche von den reformierten Ungarn übernommen; die evangelischen Sachsen feierten ihre Gottesdienste in der Sakristei der Kirche. Erst 1622 wird die Sakristei zu einem Bethaus für die Sachsen erweitert, 1720 noch einmal, und 1816 der Neubau einer evangelischen Kirche beschlossen.
Auf neuen Grundmauern entsteht zwischen 1820 und 1823 die neue Kirche nach einem Plan des Pfarrers Daniel Joseph Leonhard (1786-1853).
Eine katholische Kirche wurde erst 1749 wieder gebaut und erhielt 1880 einen Turm.
In der evangelischen Kirche wurde 1902 ein Altar des Kunsttischlers Josef Vogel errichtet. Das Hauptbild zeigt den Auferstandenen Christus und wurde von Carl Dörschlag gemalt. Die heutige Orgel mit zwei Manualen, Pedal und 23 Registern stammt von der Firma Rieger und wurde 1902 gebaut.
1839 stürzte der romanische Turm der alten Kirche ein. Aus dem Material konnten zwei neue Türme, für jede Konfession einer, gebaut werden. Im Glockenturm der evangelischen Kirche befinden sich heute drei Glocken - die große und mittlere von 1923 und die kleine von 1845.
Bis 1853 gab es ein eigenes Brooser Kapitel, das dann aber aufgelöst wurde.
Broos war bis 1867 auch Vorort des gleichnamigen Stuhls (erste urkundlich Nennung des Brooser Stuhls: 1349), zu dem 14 Orte gehörten. Schon 1464 ist urkundlich bezeugt, dass im Ort und Stuhl Broos außer Siebenbürger Sachsen auch Ungarn und Rumänen leben. Immer wieder gibt es Uneinigkeiten
und manchmal auch Streit (z.B. 1766 zwischen Lutheranern und Reformierten), aber immer wieder muss man auch zusammenhalten. 1828 vernichtet ein Feuer 121 Häuser; 1848-49 finden Kriegshandlungen zwischen dem ungarischen General Bem und kaiserlichen Truppen in Broos statt.
Im Mittelalter war Broos ein Handwerkerzentrum, vor allem der Schmiede- und Kürschnerzunft (1376 werden 19 Zünfte erwänt). 1830 ließen sich am „Böhmischen Berg“ deutschsprachige, katholische Kolonisten aus Böhmen nieder.
1846 wanderten 58 Familien aus Württemberg ein, die sich vor allem in der Landwirtschaft (Weizen, Mais, weniger Roggen, Kartoffeln und Hafer) betätigten.
Der große Teil der Brooser Einwohner gehörte in dieser Zeit allerdings dem Gewerbestand an. Der Weinbau wurde mehr zum Vergnügen als zum Nutzen betrieben.
1869 wurde in Broos die erste Bank, der „Brooser Vorschussverein“, gegründet. 1900 erhielt die Stadt eine elektrische Straßenbeleuchtung.
1896 wurde in Broos östlich der Kirchenburg eine Synagoge gebaut; 1880 leben in Broos 163 Einwohner jüdischen Glaubens. In der Synagoge wurden bis nach dem Zweiten Weltkrieg Gottesdienste abgehalten, bevor sie aufgegeben wurde und zusehends verfiel. 2004 bis 2006 wurde sie mit Geldern der rumänischen Regierung renoviert und der Stadt übergeben.
Für die Geschichte und Identität der Rumänen ist Broos von Bedeutung, weil hier 1582 die so genannte „Palia“ - die erste rumänische Übersetzung der ersten fünf Bücher des Alten Testaments - von Şerban Coresi gedruckt wurde.
1912 startet der rumänische Luftfahrtpionier Aurel Vlaicu einen Flug von Broos nach Benzenz und zurück.
1936 begann auf dem Hauptplatz von Broos der Bau der orthodoxen Kirche „Sf. arhangheli Mihail si Gavril“.
Im Jahr 1943 fanden in Broos und Benzenz drei Rekrutierungen unter der deutschen Bevölkerung statt. Dabei meldeten sich insgesamt 118 Freiwillige, die zum Teil SS-Verbänden zugeteilt wurden. Viele der älteren Sachsen sprachen sich damals gegen die nationalsozialistische Politik und die Rekrutierungen aus, während viele der jungen Freiwilligen begeistert in den Krieg zogen.
Nach dem Krieg wurden 1945 auch aus Broos Deutsche in die Sowjetunion deportiert. In kleinerem Ausmaß fanden 1952 in Mühlbach, Broos und anderen Städten Evakuierungen der deutschstämmigen Bevölkerung (u.a. nach Elisabethstadt) statt.
1948 wurden folgende größeren Betriebe aus Broos verstaatlicht: die Schuhfabrik „Ardealul“, die Ziegelei Wegener, die Lederfabrik Secheli (spätere „Vidra“, dann „Favior“), die „Banca Ardeleana“ und die Firma „Digitalis“ (spätere „Intreprinderea de Plante Medicinale“, dann „Plafar“), die sich auf den Anbau, die Züchtung und Verarbeitung von Pflanzen für pharmazeutische Zwecke spezialisiert hatte.
Zu den bedeutenden Persönlichkeiten, die aus Broos stammen oder hier gewirkt haben, zählen u.a.: der ungarische Humanist, Schriftsteller und späterer Erzbischof von Gran Nikolaus Olahus (1493-1568), der Sohn des Stadtrichters von Broos, Stephan Olahus. Er wurde vor allem durch
sein historisch-ethnographisches Werk „Hungaria“ bekannt. Aus Broos stammt auch der Historiker, Schriftsteller und Pfarrer Albert Amlacher (1847-1939). Novellen, Landschaftsschilderungen und kulturhistorische Abhandlungen machen sein schriftstellerisches Werk aus.
Mit Vorliebe wählte er seinen Stoff aus der Welt der rumänischen Hirten. Sein Verdienst ist es auch, die Predigten und das Wirken des Damasus Dürr im Zeitalter des Humanismus und der Reformation bekannt gemacht zu haben.
Aus Broos stammte auch der Schriftsteller und Mundartdichter Otto Piringer (1874-1950); er schrieb und dichtete u.a. „Schärhibesker, Lastich Geschichten ä saksesch“ oder „Der Mérenziker. Schärhibesker und Lidcher“.
Quellen & Literatur
· Albert Amlacher, Urkundenbuch zur Geschichte der Stadt und des Stuhles Broos ..., in: Archiv des
Vereins für siebenbürgische Landeskunde NF XV, Hermannstadt 1880.
· Wolfgang Bethlen, Historia de rebus Transsylvanicis, 5. Band, Hermannstadt 1789.
· Anton E. Dörner, Urkunden und Chroniken über die Geschichte der Stadt und des Stuhls Broos
(1200-1541), I. Band, Cluj-Napoca (Klausenburg) 2002.
· Hermann Fabini, Atlas der siebenbürgisch-sächsichen Kirchenburgen und Dorfkirchen, Band 1/2,
2. überarbeitete Auflage, Hermannstadt 1999.
· Daniel Friedrich Leonhard, Denkwürdigkeiten von dem alten Város und dem gegenwärtigen Bros,
Hermannstadt 1852.
· Das Schicksal der Deutschen in Rumänien, 3. Band (unveränderter Nachdruck der Ausgabe von
1957), München 2004, S. 113E und S. 405.