Die Kirche der Siebenbürger Sachsen
Seit jeher standen die Siebenbürger Sachsen in einer engen - ja engsten Verbindung - zu "ihrer" Kirche, und
identifizierten sich nicht zuletzt auch als Volksgemeinschaft in besonderer Weise mit ihrem Glauben und der Zugehörigkeit zu einer bestimmten
Konfession.
Wenn also heute die Rede von der 'Kirche der Siebenbürger Sachsen' ist, dann ist für beinahe jeden, der sich zu der genannten Volksgruppe
zählt klar, dass damit die evangelische Kirche auf der Grundlage des Augsburger Bekenntnisses gemeint ist.
Die Verbindung zwischen Sachsen und Kirche war über mehrere Jahrhunderte derart eng, dass auch umgekehrt, die Evangelische Kirche A.B. von
Angehörigen anderer in Siebenbürgen ansässigen Volksgemeinschaften mit den Sachsen und der Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe
gleichgesetzt wurde, und auch heutzutage oftmals noch gleichgesetzt wird.
Auf den ersten Blick könnte man nun meinen, dass jeder Sachse/Sächsin der Evangelischen Kirche angehört, und andere Volksgruppen in
Siebenbürgen automatisch einer anderen Konfession oder Denomination zuzuordnen seien. Das dies nicht hundertprozentig der Fall ist und immer war, sei hier angemerkt, denn natürlich bestand
für jeden Sachsen/Sächsin "Religionsfreiheit" (wenn auch, bei den strengen Regelungen der sächsischen Gemeinschaft kaum ohne Ausgrenzung
wahrnehmbar), und natürlich wurden auch immer wieder Angehörige anderer Volksgruppen in die Evangelische Kirche A.B. aufgenommen und
integriert.
Als wesentliches Merkmal ist jedoch bis in die Gegenwart hinein geblieben, dass die Amtssprache der Kirche seit der Durchführung der
Reformation "Deutsch" ist, wodurch sich neu aufgenommene Mitglieder anderer Muttersprache dieser Gegebenheit immer wieder anpassen mussten. (In der
schwierigen gegenwärtigen Situation versucht die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien, vor allem den rumänischsprachigen Mitgliedern
vielerorts durch eine zweisprachige Gottesdienstpraxis (deutsch/ rumänisch) entgegenzukommen.)
Es lässt sich zeigen, dass die Kirche, spätestens seit dem entscheidenden Ereignis der Reformation in Siebenbürgen vor mehr als 450
Jahren, den Charakter und das Wesen der ganzen sächsischen Volksgemeinschaft wesentlich geprägt hat, und umgekehrt.
Erst seit 150 Jahren hat die 'Kirche der Sachsen' die Bezeichnung "Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses". Diese Benennung wurde ihr von
der österreichischen Regierung nach den Revolutionsjahren 1848/49 zugestanden, nachdem in der Landesverfassung die Gleichberechtigung
religiöser Bekenntnisse anerkannt wurde. In amtlichen Urkunden der vorausgehenden Zeit war nur die Rede von den "Augsburger Konfessionsverwandten
in Siebenbürgen", zurückgehend auf das Bekenntnis, das 1530 in Augsburg ausgesprochen wurde. Das Bekenntnis galt in Siebenbürgen seit
1572, als es von der Synode der Geistlichen in Mediasch angenommen worden war. Zehn Jahre vorher hatte die Nationsuniversität, die politische
Rechtsvertretung der Sachsen, die erst 1876 endgültig aufgelöst wurde, die "Kirchenordnung aller Deutschen in Siebenbürgen" von
Johannes Honterus angenommen, wodurch die aus der Reformation hervorgegangene Neuordnung bekräftigt wurde. Der Ausdruck "aller Deutschen" hat eine doppelte
Bedeutung: Er bezeichnet zum einen den Verwaltungsbereich der Nationsuniversität und gleichzeitig die völkisch-ethnische, durch die
gemeinsame Sprache verbundene Gemeinschaft.
Sicherlich ist die Reformation das entscheidende Ereignis zur Neuordnung gewesen, allerdings reichen bestimmte Einflüsse und Voraussetzungen
die zur raschen Festigung der Strukturen im 16. Jahrhundert beigetragen haben, weit über das reformatorische Jahrhundert zurück und
berechtigen durchaus, die Geschichte der "Kirche der Siebenbürger Sachsen" nicht erst mit der Reformation beginnen zu lassen, sondern die gesamte
Geschichte, seit der Auswanderung und Ansiedlung der angeworbenen "Gäste" (hospites) in Siebenbürgen vor etwa 850 Jahren, zu
berücksichtigen und zu betrachten.
Der Zeitraum vor der Reformation, immerhin beinahe die Hälfte der Zeit seit der Ansiedlung bis heute, erfreut sich in der Geschichtsforschung
weitaus geringerer Beachtung als die nachfolgende Zeit. An dieser Stelle sollen nun vor allem die Zeit vor der Reformation, die Zeit der Reformation
selbst, und einige Ausführungen zur aktuellen Situation der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien beschrieben werden.